Einkaufen – ganz entspannt und ohne Reizüberflutung

(ES) Anfangs, vor etwa eineinhalb Jahren, war es nur die Zeit von 8 bis 9 Uhr. Schließlich wusste niemand, wie die Kundinnen und Kunden des Edeka im Warnow Park das besondere Shopping-Erlebnis namens „Stille Stunde“ annehmen würden. Einkaufen ohne die obligatorische Geräuschkulisse mit piependen Kassen, Ansagen aus Lautsprechern und gedimmter statt gleißender Beleuchtung. „Dazu kommt, dass während der Stillen Stunde auch keine Waren in Gitterboxen oder per Hubwagen durch den Laden transportiert, keine Kartons zerschnitten und keine Regale aufgefüllt werden“, ergänzt Centermanager Frank Middendorf.

Weil die Resonanz der Kundschaft überaus positiv war, wurde das gemeinsam mit dem Autismusverband MV ausgearbeitete Konzept vor etwa einem halben Jahr erweitert. Seitdem sind auch die 60 Minuten vor Ladenschluss eine Stille Stunde und es gibt folglich werktäglich zwei davon. Die Zeitfenster, sagt Middendorf, waren Empfehlungen des Autismusverbands und passten gut zu den Erfahrungswerten des Edeka-Chefs: „Solche Aktionen kann man nicht bei vollem Laden machen. Dann das Licht zu dimmen, wäre nicht gut.“ Das Licht ist der häufigste Kritikpunkt. Wenn die Beleuchtung reduziert ist, könne es mit kleiner Schrift auf Artikeln schon schwierig werden und man müsse die Ware erst zu einer Lichtquelle mitnehmen. „Über die fehlenden Geräusche beschwert sich aber niemand, da kriegen wir viele, viele positive Rückmeldungen“, so Middendorf.

Sehr gewöhnungsbedürftig sind die Stillen Stunden allerdings für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, von denen der 9.000 Quadratmeter-Shop im Warnow Park um die 200 hat: „Für das Kassenpersonal ist es ein sehr hoher Aufwand, weil das Piepsen signalisiert, dass ein Artikel vom Scanner gelesen wurde. Ohne das Piepsen geht das Kassieren viel schneller, deshalb müssen die Angestellten hochgradig konzentriert arbeiten, dürfen den Kunden dabei aber nicht aus dem Auge verlieren. Deshalb ist das eine ganz sensible Geschichte.“ Komplett auf eine derartige Geräuschkulisse zu verzichten, sei jetzt noch nicht machbar, aber die Technik entwickele sich immer weiter. „Schon jetzt gibt es ja die ersten Einkaufswagen, so genannte Easy Shopper, da scannt der Kunde die Artikel selber ein und hat den ganzen Einkauf auf einem Display am Einkaufswagen. An der Kasse werden die Daten dann zu der Kassiererin überspielt, das heißt alles Eingekaufte bleibt im Wagen.“ Die Einkaufswagen entsprechend technisch aufzurüsten, sei aber kostspielig.

Billig war auch die Umrüstung auf den Stille Stunde-Betrieb nicht. Um mit nur einem Knopfdruck alle Geräusche abstellen und die Beleuchtung dimmen zu können, mussten Elektriker ans Werk. „Wir haben viel Geld investiert, aber für eine tolle Geschichte“, schwärmt Frank Middendorf vom Alleinstellungsmerkmal seines Geschäfts im Warnow Park. Er könne sich auch durchaus vorstellen, quartalsweise Info-Tage über Autismus oder andere Beeinträchtigungen anzubieten. „Das sind Sachen, da hab ich richtig Lust drauf“, sagt er.

Fotos: E center Warnow Park

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