FAQs zum Festival

Interview mit all inklusiv Rostock-Initiator und Festival-Organisator Christian Schenk 

Was bedeutet für Sie persönlich Inklusion?
CS: Es erfüllt mich mit Stolz, einen Beitrag leisten zu dürfen, Menschen mit und ohne Behinderungen zusammenbringen zu können und Begegnungen auf verschiedenen Ebenen und mit sehr unterschiedlichen Voraussetzungen zu ermöglichen. Diese Energie und die Erkenntnisse, die dabei freigesetzt werden, sind ein großes Glück. Inklusion sehe ich als gesamtgesellschaftliche Herausforderung: Wissenschaft, Kunst, Kultur oder Sport – alle Einrichtungen müssen ihre Türen weiter öffnen und ihre Schwellen niedriger stellen. Nur dann können sie sich miteinander vernetzen und gegenseitig befruchten. Inklusion schafft so durch konkrete Angebote neue Verbindungen.

Welche Rolle spielt Sport in der Inklusion?
CS: Sport bricht festgefahrene Strukturen auf. Sport ist zudem sehr sensitiv, kommunikativ und strukturiert. Zum Beispiel eine erste Trainingseinheit, die erste Startnummer, das Vorstartfieber sind prägende Momente für Sportlerinnen und Sportler mit und ohne Beeinträchtigungen. Ich habe einige Eltern staunen und weinen sehen, die von der Kraft und von den Fähigkeiten ihrer Kinder während der ersten Trainingsstunden überrascht waren. Was der Sport auslöst, ist auch in anderen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens möglich. Deshalb sehe ich den Sport aufgrund seiner Strahlkraft als starkes Symbol. Ein hervorragendes Beispiel waren die SPECIAL OLYMPICS WORLD GAMES 2023 in Berlin für die AthletInnen. Und für die Medien. Eine unfassbare Reichweite wurde erzielt. Ein Wertegewinn – weil pur.

Sportlicher Erfolg wird im Allgemeinen an Titel, Toren, Rekorden und Medaillen gemessen – wie passt das mit Inklusion zusammen?
CS: Meine Erfahrung als Landestrainer der Para-Leichtathletik 2021 in Mecklenburg–Vorpommern ist: Ob der Athlet oder die Athletin sich im olympischen Diskuswerfen von 68 m auf 70 m verbessert oder der Para Athlet oder die Para-Athletin von 20 m auf 23 m – beruht immer auf dem gleichen Prinzip, dem Abrufen von Bewegungsmustern unter Wettkampf-Stress. Und die Formel für Erfolg ist auch immer die gleiche: Genetische Voraussetzungen + vermittelte Fähigkeiten x Passion + Glück! Nur braucht es für die Messbarkeit der Para-Athletinnen und -Athleten feinere und vielfältigere Instrumente und Regeln. Da sind auch die Wissenschaftler und Orthopäden vermehrt gefragt.

Sie veranstalten vom 24. bis 26.8.2023 das 2. interdisziplinäre Festival der Inklusion unter dem Titel GEMEINSAM FÜR ALLE in Rostock. Was steckt dahinter?
CS: Das Festival soll Menschen mit und ohne Behinderung gleichermaßen ansprechen. In 22 Kultur-, Wissens-, Gesundheits-, Sport- und Familienbereichen können sie sich begegnen, gemeinsam ausprobieren und für ihren künftigen Alltag diverse Angebote zur Selbstausführung erhalten. Die Tonalität entspricht den WORLD GAMES, wie sie in diesem Jahr in Berlin mit 7.000 TeilnehmerInnen aus 190 Ländern und 20.000 Volunteers stattfanden. Die Games haben mich zum 2. Festival in Rostock noch mehr inspiriert. Nie zuvor hatte ich die Gewichtung des Themas Inklusion so leicht, positiv und eingänglich dargestellt gesehen. Das Festival ist jung, fröhlich, gibt Anregungen zum Kennenlernen und Verstehen und setzt die Philosophie der Stadt Rostock als „Kommune inklusiv“ fort. Die Veranstaltungsangebote umfassen neben den Besuchen u. a. von Lesungen, Kinovorstellungen, Symposien und Gesprächsrunden auch sportliche Aktivitäten, die in der Folge von Vereinen weitergeführt werden. Bremerhaven und Bad Nauheim begleiten uns als erste Partner. Die Veranstaltungen ermöglichen es, sich mit Prominenten und Experten über Inklusion auszutauschen, Lösungen zu finden und nachzudenken.

Wie lief bzw. wie läuft die Vorbereitung?
CS: Der 29.8.2022 war der erste Tag nach dem ersten Festival und der Startschuss für das zweite. Bis dahin war ein Großteil inhaltlich bereits geklärt. Für mich fühlte es sich an wie bei der Qualifikation für eine internationale Großveranstaltung. Um bei Olympia dabei zu sein, muss man neun Monate trainieren und sich qualifizieren. Das haben wir mit viel Ausdauer und Akribie getan. Jetzt fehlen noch 5 bis 10 Prozent, um am 26. August 2023 erfolgreich die Ziellinie zu überqueren. Unser Team ist sehr breit aufgestellt. Über 35 UnterstützerInnen sind eingebunden. Jeder bringt seine Expertise ein und die Freude am Aufbau des Festivals wächst täglich. Auf das Fundament setzen wir einen kleinen Inklusions-Leuchtturm!

Warum fiel die Wahl auf Rostock?
CS: Ich lebe wieder hier und ich darf etwas zurückgeben. Als junger Sportler wurde ich von vielen, vielen Menschen unterstützt: neben meiner Familie von vielen Trainern, Lehrern, Ärzten, Physiotherapeuten, Köchen, Erziehern. Mein Erfolg als Zehnkampf-Olympiasieger ermöglicht mir, dass ich dank meiner guten Vernetzung viele Menschen für das Novum in Deutschland gewinnen konnte, wie u. a. Verena Bentele (Präsidentin VdK), Steffen Baumgart (Bundesliga-Trainer), Ulla Schmidt (Präsidentin Lebenshilfe) Michael Stich (Ex-Tennisstar) und Ulrike Folkerts (Schauspielerin).
Der Inklusions-Talk mit MV-Bildungsministerin Simone Oldenburg, dem Leiter der Bundesarbeitsagentur Nord Markus Biercher, dem Prorektor der Rostocker Universität und der erblindeten Wissenschaftlerin Sophie von Stockhausen unterstützt bei der gesellschaftlichen Tragweite von Inklusion.

Wie kann man an diesem Festival teilnehmen?
CS: Seit dem 27.8.2023 können Interessierte Tickets im LiWu, bei die Andere Buchhandlung oder beim Golfclub Wittenbeck erwerben. Man kann sie aber auch an den Veranstaltungstagen 24. – 26.8.2023 direkt vor Ort kaufen, sofern Eintritt erhoben wird. Denn die meisten Veranstaltungen dienen dem Kennenlernen und sind kostenfrei. Über Spenden wären wir aber dankbar, Spendenquittungen können ausgestellt werden.

Welches Fazit wünschen Sie sich am Ende der drei Tage ziehen zu können?
CS: Ich wünsche mir, dass GEMEINSAM FÜR ALLE den Impuls gibt, das Interesse an Inklusion innerhalb Rostocks und darüber hinaus im Land weiter zu verstärken! Inklusion darf kein Lippenbekenntnis bleiben. Nur wenn wir sie im Alltag leben, am Arbeitsplatz, in der Schule, beim Sport oder im Theater Kulturbereich wird die angestrebte Teilhabe vieler Menschen in unserem Bundesland zur erfahrbaren Realität.